Programm
  • Mirga Gražinytė-Tyla

FEUER

  • Ein Tanzdrama
  • Deutsche Tanzkompanie Neustrelitz

FEUER – Leuchten, Brennen, Verbrennen, Weiterleuchten! Woraus besteht die Welt? Aus Feuer, Wasser, Luft und Erde? Die vier Elemente sind ein uraltes Bild, um Zusammenhänge aufzuzeigen. Heute das gesamte System der Erde zu verstehen – dabei können die vier Elemente neben der Idee der Atome uns weiter nützlich sein: als Möglichkeit, ein Gesamtbild zu zeichnen. Die Natur zu erleben, zu erkennen und das Verhältnis des Menschen in ihr zu bestimmen. Es gilt, eine Form der Rückbesinnung zu finden, die nicht mehr die Welt und die Natur bloß als Ressource betrachtet. Nur wenn der Mensch sich als Teil der Natur versteht, der nur mit ihr und nicht gegen sie leben kann – nur dann ist die Beständigkeit seiner eigenen Kultur gewährleistet. Menschwerdung ohne Feuer – nicht möglich. Seit Urzeiten begegnet und begleitet es uns. Und es hat sich eingeschrieben in unsere ältesten Mythen und Götterwelten, als Naturgewalt, die sich nur begrenzt bändigen lässt. Es hat sich auch in uns selbst „eingebrannt“. Wir sind wie das Feuer. Die sprachliche Beschreibung unserer Spezies „Mensch“ ist voller Vergleiche mit verschiedensten Phasen und Eigenschaften des Feuers: Lebenslicht, Initialzündung, Entflammen, Anfeuern, das Feuer schüren, Feuer und Flamme sein, für etwas brennen, verbrennen, etwas niederbrennen, erlöschen, ausgebrannt sein… Früher erschien der Mensch den Naturgewalten gegenüber klein und zerbrechlich. Heute haben wir Menschen uns selbst zur Naturgewalt ermächtigt, wir haben uns die Erde untertan gemacht. Beim Feuer stoßen wir – gerade vermehrt in der letzten Zeit – an schmerzhafte, beängstigende Grenzen. Und auch unser „inneres Feuer“, unsere Energie für Lebenspläne, die man unbedingt durchsetzen will, kann für andere fatale Folgen haben. Viele fremde Kulturen wurden durch Menschenhand, auch mit Hilfe des Feuers, überformt oder vernichtet. Nicht immer war das Folgende „schlechter“, aber es bleibt das Fazit gewaltorientierter, „feindlicher Übernahme“… Wir sind Teil der Natur, zugleich bleibt sie uns fremd. Wollen wir sie nicht verstehen, so treiben wir uns und unsere Erde in einen apokalyptischen „Weltenbrand“, durch kollektiv eigene Schuld… Im mehrschichtigen und spannungsvollen Feld dieser Gedankensplitter ist der Feuer-Abend angesiedelt, als erster Teil eines Zyklus‘ der Elemente. Wir haben „in die Tiefe gebohrt“, nach historischen Anregungen aus unserer Heimat gesucht, die für diese Tanzbilder stehen könnten. So wurde der Untergang Rethras ein zentraler Anker. Die Zerstörung des sagenhaften Heiligtums der Slawen im 11. Jahrhundert markiert das Ende eines Neben oder Miteinanders, steht für Verheerung und Landgewinn, bleibt aber bis heute Bezugspunkt – von dem ausgehend sich Geschichte wiederholt. Dieses Bild zieht sich wie ein roter Faden durch das Stück. Bis zum Epilog als dystopischem Fanal, wie es im „Weltenbrand“ der Edda aufleuchtet.