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Zeitgenössische Oper - Deutsche Erstaufführung

Song from the Uproar: The Lives and Deaths of Isabelle Eberhardt

  • Kammeroper von Missy Mazzoli (Musik & Texte) & Royce Vavrek (Texte)
  • inspiriert durch die Reisetagebücher von Isabelle Eberhardt
  • in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

„Tränen der Traurigkeit, Tränen der Freude
... es gibt hundert Namen für Gott.”

Isabelle Eberhardt (1877 – 1904) war eine der einzigartigen und ungewöhnlichsten Frauen ihrer Zeit. Nach dem Tod ihrer Eltern und ihres Bruders gab sie zwanzigjährig ihr Leben in der Schweiz auf, um fortan als „Nomadin“ durch die Wüsten Nordafrikas zu ziehen. Sie reiste meistens auf dem Rücken eines Pferdes, oftmals in Männerkleidung und dokumentierte ihre Reisen detailliert in Tagebüchern, die sie bereits zu Lebzeiten unter Pseudonym veröffentlichte. Im Alter von 27 Jahren starb sie bei einer Überflutung. Man fand ihren Leichnam zusammen mit ihrem einzigen Nachlass: den Skizzen für einen neuen Roman ...

Im Jahr 2004 wurde die amerikanische Komponistin Missy Mazzoli auf Isabelle Eberhardt aufmerksam und las binnen kürzester Zeit sämtliche Schriften aus ihrem Nachlass, die sie drei Jahre später zu einem Libretto zu formen begann, den Texten dabei eine persönliche Note gebend, um sie anschließend in Musik zu setzen. Nachdem die Kammeroper 2012 mit großem Erfolg in New York uraufgeführt wurde, erlebt sie nun am Theater Vorpommern ihre deutsche Erstaufführung.

„Für diejenigen, die den Wert und den exquisiten Geschmack der einsamen Freiheit kennen (denn man ist nur frei, wenn man allein ist), ist der Akt des Weggehens der mutigste und schönste von allen. ... Während wir Kaffee trinken, lausche ich der Nacht, die sich über die Wüste legt. Immer mehr Stimmen beleben die ruhige Nacht. Die Nomaden improvisieren Lieder über Lieder. Wie angenehm es ist, so einzuschlafen, irgendwo unter freiem Himmel, wohl wissend, dass man am nächsten Tag aufbrechen und gewiss nie mehr zurückkehren wird ...“ aus Isabelle Eberhardts „Tagwerken“ („Mes journaliers“)

Dauer: ca. 75 Minuten, keine Pause

 

Trailer

Besetzung


Musikalische Leitung Alexander Mayer
Inszenierung Judith Lebiez
Bühne & Kostüme Valentina Pino Reyes
Mitarbeit Kostüm Emily Siedler
Licht Christoph Weber
Chor Jörg Pitschmann
Dramaturgie Stephanie Langenberg
Musikalische Assistenz David Wishart, David Grant, David Behnke
Regieassistenz & Abendspielleitung Frida Jasper
Inspizienz Saskia Becker

Mit:


Isabelle Eberhardt Pihla Terttunen

und Musiker*innen:


Flöte / Piccolo Claudia Otto, Julia Götting
Klarinette / Bassklarinette Inken Grabinski
Klavier David Grant
E-Gitarre Jovan Koščica, Teuvo Taimioja
Kontrabass Christoph Uhland, Yuki Tanabe

und:  Opernchor des Theaters Vorpommern

Pressestimmen

WÜSTENRITT Mazzoli: Song from the Uproar in der Stadthalle Greifswald

In der Wüste verstummt die Zivilisation. Nirgendwo ist man so gottverlassen – und Gott zugleich so nah. Eine mystische, todbringende Weite, die jene anzieht, die in der Enge der Welt keinen Platz finden. Für ihre Kammeroper «Song from the Uproar» ließ sich die US-amerikanische Komponistin Missy Mazzoli von der Lebensgeschichte der Wüstenreisenden Isabelle Eberhardt inspirieren. Ganz allein ritt die Schweizer Entdeckerin gegen Ende des 19.

Jahrhunderts auf einem Araberhengst durch die algerische Sahara, lebte mit Beduinen, konvertierte zum Islam, überlebte ein Attentat und kam 27-jährig in einer Sturzflut ums Leben. Das Kammerstück von 2012 destilliert aus diesen Stationen eine intime musikalische Zustandsbeschreibung, die einen tiefen Blick in ein gequältes, freiheitsdurstiges Herz wirft.

«I give myself to noone. I will pick my own song», singt sie: «Ich gebe mich niemandem hin. Ich werde mein eigenes Lied wählen». Isabelles Lied ist ein einsames, denn der Preis für Selbst -bestimmung – damals wie heute – ist hoch. Momenthaften Trost findet sie darin, ihr endliches Leben an der Unvergänglichkeit von Sand und Himmel zu messen: «Hier, wo Fußabdrücke Gräber auslöschen, sind diese Stunden nicht mehr als Augenblicke des Lichts.» In poetisch verklausulierten Worten besingt die junge Frau eine Stimmung, in der die Sehnsucht nach irdischer Liebe und die Sehnsucht nach Gott auf verwirrende, schmerzhafte Weise ineinander verschwimmen.

Funfact für Literaturinteressierte: Isabelle Eberhardts autobiographische Schriften, auf deren Grundlage Mazzoli und Royce Vavrek das Libretto dichteten, wurden von der prominenten Autorin Julia Schoch, die für ihren Bestseller-Roman «Wild nach einem wilden Traum» gerade für den Fontane-Buchpreis nominiert wurde, vom Französischen ins Deutsche übersetzt.

Sie habe sich des öfteren ziemlich verloren gefühlt, berichtet Mezzosopranistin Pihla Tert -tunen bei einer Nachbesprechung im Foyer der Greifswalder Stadthalle über die Reise, die sie mit diesem ungewöhnlichen Stück unter der Regie von Judith Lebiez zurückgelegt hat. Doch gerade das unverstellt Suchende macht Terttunen als Isabelle Eberhardt zum Erlebnis. Als einzige Solistin trägt sie den Abend mit großer stimmlicher Ausdauer und mit Mut zur emotionalen Hingabe. Gestik und Mimik wirken sparsam und spontan, mit größter Körperspannung scheint sie ihrer eigenen inneren Erregung zu lauschen, in ihren Augen leuchten mal Trotz, mal Verzweiflung. Auf engem Raum in nächster Nähe erlebt das Publikum eine Performance-Künstlerin, die auf Maskerade verzichtet und sich in Echtzeit von Musik und Text bewegen lässt. Ihr zur Seite stehen Sängerinnen und Sänger des Chors. In pastellfarbenen Tüchern wirbeln sie als Sandkörner durch den Raum, werden zum Echo von Isabelles spiritueller Selbstbefragung und meistern auch schwierige a cappella-Passagen mit erkennbarer Lust an der Sache.

Auch für die Musiker und Musikerinnen ist «Song from the Uproar» keine Routineaufgabe. Unter der Leitung von Alexander Mayer navigiert die kleine Besetzung aus Klavier, Flöte, Klarinette, E-Gitarre, Kontrabass und Elektronik einfühlsam durch die Partitur, in der synkopierte, sich minimal verschiebende Rhythmen vorwärts drängen wie Treibsand, und sich mantraartige Melodiewiederholungen wie Gebete in Herz und Hirn einprägen. Aufnahmen bruchstückhafter Gesangsfetzen und von prasselnden Regengeräuschen fügen eine weitere sinnliche Ebene hinzu.

Den Kostümen von Valentina Pino Reyes gelingt bei aller geschmackvoller Zurückhaltung ein Hauch märchenhafter Verzauberung: Zarte, pastellige Seidenstoffe bringen zeitlose Assoziationen von nächtlich kühlenden Wüstenwinden auf die ansonsten leere Bühne. In einem besonders eindrücklichen Moment verwandelt sich ein goldenes Tuch von einem Königinnen-Umhang in eine wogende Wanderdüne. Durch geschicktes Spiel mit Räumlichkeit (die Chorherren singen teils aus dem Publikum, Terttunen steigt auch mal die Tribüne empor) wird das Publikum in intensive Klangwelten voll rätselhafter Sinnlichkeit eingehüllt, die noch nach Vorstellungsende nachwirkt.

- Anna Schors für OPERNWELT (Ausgabe Mai 2025)